05 Juni 2025 von lbik

„Encampment in der sowjetischen Besatzungszone Österreichs“ – New online portal launched!

Bei der Pressekonferenz am 3. Juni 2025 wurde die neue Website mit Online-Lagerkarte präsentiert.

Das Forschungsprojekt „Encampment identifizierte und dokumentierte rund 250 Lager, die während der Nachkriegszeit von 1945 bis 1955 auf dem Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone (Niederösterreich, Burgenland, Teile Oberösterreichs und Wiens) existierten. Die Informationen und Materialien wurden auf einer Website mit Online-Lagerkarte gesammelt: encampment-bik.lbg.ac.at

Lager sind jene Orte, an denen sich die sozialen, politischen und menschlichen Folgen von Krieg und Besatzung in besonderer Deutlichkeit zeigen. In der sowjetischen Besatzungszone Österreichs – in Niederösterreich, dem Burgenland, Teilen Oberösterreichs (Mühlviertel) sowie in mehreren Bezirken Wiens – bestanden zwischen 1945 und 1955 zumindest rund 250 Lager zur Unterbringung von Personen verschiedenster Herkunft. Lager existierten hier in den unterschiedlichsten Formen – von Anhalte- und Arbeitslagern über Frontlager, Wohnlager, Firmenlager, Entlausungslager, Sammel-, Durchgangs-, Entlassungs- und Auffanglager bis hin zu Überprüfungs-, Repatriierungs- und Filtrationslagern.

Das vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und dem Land Niederösterreich geförderte Forschungsprojekt „Encampment“ (Grant-DOI: 10.55776/P34085) erschließt nun dieses bislang weitgehend unbeachtete Terrain und macht die Erkenntnisse der Öffentlichkeit online zugänglich.

Mit Hilfe umfangreicher Analyse von Zeitzeugenerinnerungen und -interviews, Literatur- sowie Quellenanalysen – unter anderem aus Gemeinde-, Stadt- und Landesarchiven, dem Österreichischen Staatsarchiv und internationalen Dokumentationszentren und Archiven wie den Arolsen Archives – wurden bislang rund 250 Lager systematisch identifiziert und auf einer digitalen Lagerkarte verortet und beschrieben. Die Website dokumentiert damit erstmals systematisch die historische Lagerlandschaft der sowjetischen Besatzungszone und lädt dazu ein, dieses bislang kaum sichtbare Kapitel österreichischer Geschichte zu erkunden.

Das Forschungsprojekt, das der Website zugrunde liegt, wird seit Anfang 2022 unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung durchgeführt – in Kooperation mit dem Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung, der FH St. Pölten sowie dem Institut für Geschichte der Universität Graz.

Hinter den einzelnen Lagern verbirgt sich eine enorme Bandbreite von Funktionen und Nutzungen. Untergebracht wurden hauptsächlich sieben Gruppen von Insassen: sowjetische Front- und/oder Besatzungssoldaten, ehemalige sowjetische Kriegsgefangene, ehemalige Repressierte des NS-Regimes (Zwangsarbeiter:innen und KZ-Insassen), österreichische und deutsche Kriegsgefangene (ehemalige Wehrmachtsangehörige), Flüchtlinge, Vertriebene und Umsiedler, ehemalige Nationalsozialist:innen sowie aus dem Ausland rückkehrende bzw. rückgeführte Österreicher:innen. Obgleich die ursprünglichen Planungen der Sowjetunion eine rasche Repatriierung oder Weiterreise der meisten dieser Gruppen vorgesehen hatten, existierten manche Lager länger als beabsichtigt und wurden so zu einem langfristigen Provisorium.

Die Ergebnisse des Projektes Encampment geben Einblick in eine bislang fast vergessene Lagerlandschaft im besetzten Nachkriegsösterreich, die die Lebensrealität hunderttausender Menschen verschiedenster Nationen in den ersten beiden Nachkriegsjahren zwar nur kurzfristig, aber dafür umso nachhaltiger geprägt hat. Die online verfügbare Lagerkarte dokumentiert nicht nur den aktuellen Forschungsstand, sondern versteht sich auch als offenes Projekt. Hinweise auf bislang nicht erfasste Lager, ergänzende Informationen oder insbesondere Bildmaterial sind ausdrücklich willkommen. Die Arbeit an Encampment ist nicht abgeschlossen, sondern lädt zur Mitwirkung weiterer Fachleute und Interessierter ein.

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