icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Stalingrad: „Mehr als nur eine Tragödie in Schnee und Eis“
30 Jan 2023 von lbik

Stalingrad: „Mehr als nur eine Tragödie in Schnee und Eis“

Sie war weder eine rein deutsche (und österreichische) Opfertragödie, noch war sie die entscheidende Niederlage der Wehrmacht gegen die Rote Armee im verlorenen Zweiten Weltkrieg. In den Köpfen der Menschen und erinnerungspolitisch hinterließen die blutige Kesselschlacht und der Untergang der 6. Armee in Stalingrad jedoch bleibende emotionale Spuren – bis heute. Barbara Stelzl-Marx und Kurt Bauer haben in verschiedenen Medien über die symbolisch wohl mächtigste Schlacht des Zweiten Weltkriegs gesprochen.

„Jedes Haus konnte eine tödliche Falle sein“

„Meine lieben Eltern, wenn es geht, schickt mir Lebensmittel“ – in einem Kurier-Beitrag verweist Barbara Stelzl-Marx auf Stimmen, die das individuelle Leid der eingekesselten Wehrmachtssoldaten im brutalen und von beiden Seiten rücksichtslos geführten „Rattenkrieg“ um die strategisch und symbolisch wichtige Industriestadt an der Wolga sichtbar machen. Die Professorin für europäische Zeitgeschichte an der Uni Graz fügt jedoch hinzu, dass die „katastrophalen Bedingungen nicht nur für die deutschen Wehrmachtssoldaten gegolten haben, sondern auch für die Zivilisten, die nach wie vor in Stalingrad waren. Auch Rotarmisten hatten unter allerschrecklichsten Bedingungen zu leiden.“ Zum Kurier-Beitrag (zahlungspflichtig)

„Werden hier sicherlich überwintern“ – Franz Mikulas Briefe aus Stalingrad

„Meine Lieben, gestern hatten auch wir unser Weihnachtsbescherung. […] Seit dem 24. bin ich in einem Krankenbunker untergebracht. Wir hatten ein kleines Bäumchen mit Papier aufgeputzt, da wir nichts anderes hatten. Abends kam dann die Verteilung. Wir bekamen ein jeder einen Wecken Kornbrot, 2 Knackwürste Pferd, 30 Zigaretten, 1 R. Schok., 1 P. Zuckerln.“ Fast täglich schrieb der gelernte Eisendreher, leidenschaftliche Maler und in Stalingrad als Panzerabwehr-Kanonier kämpfende Franz Mikula Briefe an seine Familie nach Wien. Mikula sollte nicht mehr aus dem Krieg zurückkehren. Unser Mitarbeiter Kurt Bauer hat für das Spectrum der Presse (Printausgabe, 28. Jänner) eine Auswahl an Mikulas Gedanken, Ängsten und Hoffnungen zusammengestellt. Die für die Presse ausgewählten Briefe zum Nachlesen. Weitere Infos zu Franz Mikola auf vergesstmichnicht.at

„Das Interesse an Stalingrad geht über Generationen hinweg“

Stalingrad „war die bekannteste Schlacht des Zweiten Weltkriegs und steht oft für die Wende in diesem Krieg. Tatsächlich war es mehr eine psychologische Trendwende als eine militärische“, so Barbara Stelzl-Marx in einem Interview in der Kleinen Zeitung und verweist auch darauf, dass der in unserer Gesellschaft lang gepflegt „Opfer-Mythos“ oder das Bild einer klassischen „Tragödie in Eis und Schnee“ sich von der sowjetisch-russischen Erinnerung an die Schlacht wesentlich unterscheidet. Stalingrad, so die Historikerin, war und ist über Generationen hinweg fixer Bestandteil unserer Erinnerungskultur. „Auch heute noch erhalten wir [am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung] zu den Kriegsgefangenen und Vermissten in der Sowjetunion durchschnittlich eine Anfrage pro Woche“, so die BIK-Leiterin.
Zum Kleine Zeitung-Interview (zahlungspflichtig)

„Die Russen waren einigermaßen human“

Für die Österreich-Ausgabe der Zeit stellt Barbara Stelzl-Marx ebenfalls einige Stalingrad-Mythen in einen analytischeren Kontext. Der Artikel von Simone Brunner greift auch unsere Zeitzeugen-Arbeit am BIK  auf und zitiert einen zwanzigjährigen Wehrmachtssoldaten aus Oberösterreich: „‚Die Russen, die uns gefangen genommen haben, wareneinigermaßen human‘, erzählt er [‚Josef‘] in einem Interview-Projekt des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, das bisher nicht veröffentlicht wurde, weswegen hier nur sein Vorname genannt wird. ‚Sie haben gesehen, welch ausgehungerte Krüppel wir waren.‘ Josef erlebte dennoch, wie viele starben. ‚Man hat keinen jammern, stöhnen oder sonst wie schreien gehört‘, sagte er. ‚Alle sind aus Schwäche eingeschlafen, erfroren oder verhungert.’“
Zum Zeit-Artikel (zahlungspflichtig)

Steirer in Gefangenschaft

In der Kronen Zeitung sprach Barbara Stelzl-Marx aus steirischer Perspektive unter anderem über das harte Schicksal der Kriegsgefangenen von Stalingrad.
Zum Kronen Zeitung-Artikel (zahlungspflichtig)

Radiosendung zum Nachhören: „Die ewige Schlacht“

Barbara Stelzl-Marx  sprach im Salzburger Nachtstudio auf Ö1 mit Martin Haidinger ebenfalls über das „Trauma Stalingrad“, dessen Rezeptionsgeschichte sowie über historische Legitimierungsdiskurse vor dem Hintergrund der „ewigen Schlacht“ im heutigen Russland.
Die Ö1-Sendung zum Nachhören

a. (c) Kleine Zeitung
b. (c) Schützen der Roten Armee auf einem Dach eines Hauses in Stalingrad, Jänner 1943; © Bundesarchiv / CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons
c. (c) Zeltlager und Rauchwolken bei Stalingrad. Zeichnung von Franz Mikula, September 1942 © vergesstmichnicht.at