icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Österreichische Stalinopfer in Zentralasien 1941-1956
04 Aug 2020 von Ludwig Boltzmann

Österreichische Stalinopfer in Zentralasien 1941-1956

Das vorliegende Projekt hat zum Ziel, das Schicksal von von sowjetischer Seite verurteilten Österreichern in Lagern auf dem Gebiet des heutigen Kasachstan, Usbekistan und Kirgisistan aufzuarbeiten und die dazu vorhandenen Dokumentationen auszuheben und zu analysieren.

Die Sowjetunion und ihr stalinistisches Justizsystem wirkten sich nicht nur für sowjetische Staatsangehörige, sondern auch für zahlreiche Österreicher gravierend aus. Die ersten österreichischen Opfer dieses Systems waren ehemalige Mitglieder der kommunistischen und der sozialdemokratischen Partei, die im Zuge der 1920er- und 1930er-Jahre in die Sowjetunion emigrierten. Viele von ihnen wurden Opfer der stalinistischen „Säuberungen“ in den 1930er-Jahren.

Hinzu kam, dass zwischen 1945 und 1955 etwa 2.200 österreichische Zivilisten von sowjetischen Organen festgenommen wurden; mehr als eintausend von Militärtribunalen wegen Kriegs-, Staats- und Alltagsverbrechen zu meist hohen Haftstrafen verurteilt. Über 150 von ihnen wurden, meist wegen „Spionage gegen die Sowjetunion“, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Für die österreichische Bevölkerung und Öffentlichkeit blieben die Gründe für eine Verhaftung und das weitere Schicksal dieser „Verschleppten“ damals weitestgehend im Dunkeln.

Die dritte zu berücksichtigende Gruppe waren die verurteilten Kriegsgefangenen. Zwischen 1941 und 1945 gerieten an der Ostfront gegen die Sowjetunion rund 130.000 Österreicher, die in der Deutschen Wehrmacht Militärdienst versahen, in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Nach der Gefangennahme und teilweise wochenlangen Aufenthalten in Aufnahme- und Sammelpunkten hinter der sowjetischen Frontlinie wurden sie per Bahntransport in die einzelnen Lager der „Hauptverwaltung für Kriegsgefangene und Internierte“ (russ. „Glavnoe upravlenie voennoplennych i internirovannych“, GUPVI) verbracht. Ab 1947 wurden viele von ihnen, u. a. unter Anwendung des „Ukaz 43“ wegen angeblicher Beteiligung an Kriegsverbrechen in der Sowjetunion ebenfalls zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt und von den Lagern des GUPVI in Gefängnisse und GULAG-Lager überstellt.

Das zweite Lagersystem des NKVD/MVD, die „Hauptverwaltung der Lager“ („Glavnoe upravlenie lagerej“, GULAG), existierte seit den frühen 1920er-Jahren und ab 1941 parallel zum GUPVI. Es umfasste ebenfalls tausende Arbeitslager, in denen, im Gegensatz zum GUPVI, verurteilte Personen inhaftiert und zur Arbeit herangezogen wurden. Zwischen 1930 und 1953 waren mindestens 18 Millionen Menschen im Lagersystem des GULAG des NVKD inhaftiert, darunter zahlreiche Österreicher. Die letzten von ihnen kehrten erst Anfang 1956 aus ihrer Gefangenschaft zurück.

Diese beiden Lagersysteme und die bislang bekannten Informationen zu den dort untergebrachten/inhaftierten Österreichern am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) sind methodisch der Ausgangspunkt für die wissenschaftliche Aufarbeitung der österreichischen Stalinismus-Opfer. Die Lager beider sowjetischen Lagersysteme waren auf die gesamte Sowjetunion verteilt. Ein paar von ihnen befanden sich auch auf den Territorien des heutigen Kasachstan, Usbekistan und Kirgisistan.

a.