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28 Aug 2022 von lbik

Über belastete Straßennamen und aussterbende Zeitzeugen

Die Institutsleiterin Barbara Stelzl-Marx sprach mit APA-Science über die Bedeutung von Forschung für Erinnerungskulturen und Gesellschaften. Außerdem thematisierte sie die Problematik von belasteten Straßennamen und aussterbenden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen.

Wie die historische Entwicklung der vergangenen beiden Jahrzehnte hinsichtlich des Memory Booms zeigte, prägt Forschung ganze Erinnerungskulturen und Gesellschaften. Die Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung, Barbara Stelzl-Marx, bestätigt dies: “Manche Themen werden durch die Forschung sichtbar gemacht, zum Teil gemeinsam mit den Medien oder zivilgesellschaftlichen Initiativen. Ein Beispiel ist das Lager Liebenau, das ehemals größte NS-Zwangsarbeiterlager in Graz, das nun einen fixen Bestandteil in der Erinnerungskultur der Landeshauptstadt hat. Andere Themen werden durch die Forschung enttabuisiert und führen zu einem neuen Umgang: Stichwort Besatzungskinder in Österreich.” 

Wissenschaft spielt zudem beim Umgang mit sichtbaren Erinnerungszeichen eine große Rolle. Neben Debatten über umstrittene Denkmäler diskutiert man auch über Umbenennungen belasteter Straßennamen, die, so Stelzl-Marx, Aufschluss über den Umgang einer Gesellschaft mit ihrer jeweiligen Geschichte geben. In Graz wurde beispielsweise eine Expertenkommission eingerichtet, die rund 750 personenbezogene Straßennamen prüfte, wovon sich rund 80 als belastet und davon wiederum rund 20 als schwer belastet herauskristallisierten. 

Auch Zeitzeugen sind essenziell bei der Veränderung von Erinnerungskulturen. Zeitzeugeninterviews stellen besondere Quellen dar, weil sie erst während des Forschungsprozesses generiert werden. Auch können sie als Ergänzung zu anderen schriftlichen Quellen, wie Archivdokumenten, eingesetzt werden. Momentan steht die Forschung vor der Herausforderung, dass die Zeitzeugenschaft, die über den Zweiten Weltkrieg noch berichten kann, allmählich ausstirbt: “Generell ist es so, dass der Verlust von Zeitzeugen schwer zu kompensieren ist. Das sind Berichte aus erster Hand; wenn diese Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung stehen, dann verliert die Erinnerung an Unmittelbarkeit”, so Stelzl-Marx. Sie plädiert dafür, bereits aufgezeichnete Interviews zu digitalisieren, archivieren und analysieren. Außerdem werde man durch den Einsatz neuer Technologien, wie beispielsweise die Entwicklung von Hologrammen, neue Wege finden, um das Wegfallen von Zeitzeugen zu kompensieren. 

Zum aktuellen Themenschwerpunkt „Erinnern und Gedenken“ von APA-Science

Zum Artikel von APA-Science
a. Barbara Stelzl-Marx im Gespräch mit Katharina Dolesch