Abgeschlossene Projekte der Programmlinie „Zwangsmigration“

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Polnische Zwangsmigration 1943-1946. Oral History-Interviews mit Zwangsumgesiedelten aus dem Raum Ternopil

Bei diesem vom Zukunftsfonds der Republik Österreich geförderten Projekt wurden Oral History Interviews mit polnischen Zwangsmigrierten durchgeführt, um deren alltägliche Lebenswelt(en), Erfahrungen, Mentalitäten, Einstellungen, Interpretationen und Handlungen zu erheben und zu analysieren. Die Interviews wurden transkribiert, übersetzt, in einen breiteren historischen Kontext gestellt und werden nach abgeschlossener Aufbereitung über diese Webadresse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden

Im Rahmen des Zweiten Weltkrieges kam es zu zahlreichen, oft erzwungenen, Migrationsbewegungen. So mussten zwischen 1943 und 1946 auch viele Menschen in Ostpolen ihre Heimat verlassen und ließen sich z.B. aus dem heutigen Oblast Ternopil vermehrt in der Nähe von Wrocław (Breslau) nieder. Das Projekt ging den individuellen (Erinnerungs-) Perspektiven der letzten lebenden Zwangsumgesiedelten aus dem Oblast Ternopil nach und lässt die Zeitzeugen über diese Website erstmals selbst zur Thematik rund um ihre Vertreibung und Ankunft in einer neuen Heimat zu Wort kommen. Das Projekt versteht sich als Erschließungs-, Forschungs- und insbesondere Vermittlungsprojekt. Es verfolgte dabei die Rekonstruktion und Analyse der alltäglichen Lebenswelt, Erfahrungen, Mentalitäten, Einstellungen, Interpretationen und Handlungen von polnischen Zwangsmigrierten auf Basis von Oral History Interviews. Diese wurden mit den letzten lebenden Zeitzeuginnen und Zeitzeugen aus dem Raum Ternopil durchgeführt, wissenschaftlich analysiert, übersetzt und in einen breiteren historischen Kontext gestellt. Die Forschungsinterviews werden zu Videosequenzen geschnitten, katalogisiert und mit entsprechenden Themen bzw. Schlagworten verknüpft. Ergänzend dazu werden die Sequenzen durch Textpassagen und Graphiken kontextualisiert.

Die Arbeiten am Forschungsprojekt wurden planmäßig im März 2021 aufgenommen. Kornel Trojan verbrachte mehrere Forschungsaufenthalte in Wrocłav/Breslau, um die ZeitzeugInnengespräche durchzuführen. Es wurden acht Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ausfindig gemacht, die im Zeitraum 1943-46 aus dem Raum Ternopil nach Breslau zwangsmigriert waren. Unter pandemiebedingt etwas schwierigen Umständen wurden insgesamt sieben Oral History Interviews durchgeführt. Die aus diesen Quellen gewonnenen Informationen wurden in der Folge transkribiert, übersetzt und zur Analyse aufbereitet.

Weiters führte Kornel Trojan Recherchearbeiten im Ossolineum Wrocław, dem Deutschen Polen-Institut und dem Ośrodek „Pamięć i Przyszłość“ in Wrocław zu polnischen Zwangsmigranten durch und fertigte Scans vieler themenrelevanter Dokumente an. Die aus diesen Unterlagen gewonnenen Informationen wurden in der Folge zur Analyse aufbereitet.

Zwei auf den Forschungsergebnissen des Projekts basierende wissenschaftliche Artikel (in Arbeit) werden in polnischer und deutscher Sprache in der Publikation „Perspectives on the 20th Century“ des Pilecki-Instituts Berlin, sowie in polnischer und englischer Sprache in der Zeitschrift Wrocławski Rocznik Historii Mówionej des Ośrodek „Pamięć i Przyszłość“ (the „Remembrance and Future“ Centre) veröffentlicht. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden mehrere Vorträge zu den Projektergebnissen in Polen und Deutschland abgehalten.

Fördergeber: Zukunftsfonds der Republik Österreich, Projektnummer P21-4222

Mobile Dinge

Mobile Dinge, Menschen und Ideen. Eine bewegte Geschichte Niederösterreichs.

Mobilität verändert nicht nur Beschaffenheit und Ausse­hen von Dingen, sondern auch ihre Bedeutung, Zuschreibung und Bewertung durch ihre Benüt­zer/innen und Betrachter/innen. Forschungsinteresse ist deshalb nicht nur die Mobilität von Dingen, sondern auch die Mobilität, wie sie an Dingen sichtbar wird.

Das BIK war mit Dieter Bacher über seine Außenstelle in Raabs an der Thaya an den Forschungen des Teilprojektes „(Nicht) im Gepäck? Über mitgebrachte, zurückgelassene und neu erworbene Dinge des Hausrats im Kontext von Flucht und Vertreibung (1945/2015)“ beteiligt. Für gewöhnlich sind die alltäglichen Dinge, mit denen wir uns umgeben, kaum hinterfragter Bestandteil unseres Lebens. Flucht und Vertreibung stellen jedoch Ereignisse dar, die die Selbstverständlichkeit unserer Mensch-Ding-Beziehungen ins Wanken bringen. Das bis Jänner 2022 fertig gestellte Projekt untersuchte, welche Bedeutung mitgebrachte, zurückgelassene und neu erworbene Dinge des Hausrats für Flüchtlinge und Vertriebene in der Nachkriegszeit hatten und auch heute haben. Es wurden zwei zeitlich auseinanderliegende Fluchtbewegungen analysiert: Flucht und Vertreibung der deutsch-sprachigen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg und aktuelle Fluchtbewegungen rund um das Jahr 2015. Die besondere (symbolische bzw. identitätsstiftende) Dingbedeutung im Rahmen von Flucht und Vertreibung wurde dabei ebenso untersucht wie die konkrete Verwendung von Dingen im Alltag. Wie wurden bzw. werden Dinge eingesetzt, um das alltägliche Leben neu zu gestalten, sich zu positionieren aber auch um aktiv Beheimatung, (materielle) Kontinuität und soziale Einbindung herzustellen? Darüber hinaus interessierte der Wandel bzw. die Konstanz von Dingbedeutungen und Verwendungspraktiken von Objekten im Zeitvergleich 1945/55 und heute. Zu beiden Fluchtbewegungen gibt es in den niederösterreichischen Sammlungen relevante Bestände bzw. Objekte. Methodisch wurde für die Analyse der Dingbedeutsamkeit im Rahmen von Flucht und Vertreibung ein biographischer Zugang gewählt.

Hier geht es zum Endbericht des Projekts!

Presseberichte zum Projekt:
Bericht in der Print- und Online-Ausgabe des „Kurier“ vom 26.4.2020

Zur Projekthomepage
a. Mobile Dinge

Buchprojekt „Migration“

Migration ist im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig. Wie kaum ein anderes Thema berühren es und die nachfolgenden Fragen der Integration von Migranten die Grundwerte unserer Zivilisation, greifen tief in persönliche Lebensumstände der Menschen ein, ja spalten Gesellschaften.

Verunsicherung und Ängste können meist nur diffus artikuliert werden, sind aber latent vorhanden. Die europäische Politik reagiert darauf, wenn auch verzögert, unterschiedlich: Mit Grenzsperren, Quotenregelungen, Ausweisungen, Abschiebungen, dem Aufbau von Sammelzentren in Nordafrika oder der Unterstützung von Transitstaaten wie der Türkei. Auch Gesellschaft und Politik in Österreich sind gefragt. Täglich. Bedingt kann dabei auf Erfahrungen nach den Konflikten seit 1945 in Europa zurückgegriffen werden: Ungarn, Tschechoslowakei, Polen, Jugoslawien. Das Buch analysiert wesentliche Aspekte der Thematik sowohl im historischen als auch aktuellen Diskurs.

Zur Publikation: Migration. Flucht – Vertreibung – Integration

Kulturlandschaften und Identitäten an der Grenze

Als Folge der sehr positiven Publikumsresonanz auf die Niederösterreichische Landesausstellung 2009 „Österreich – Tschechien, geteilt – getrennt – vereint“ wurde im Laufe des Jahres 2010 ein EU-Projekt zur nachhaltigen Erforschung des gemeinsamen österreichisch-tschechischen Kulturraumes konzipiert.

Ziel des Projektes „Kulturlandschaften und Identitäten entlang der tschechisch-österreichischen Grenze“ stellt die Entwicklung und Umsetzung einer breiten Palette von Vermittlungsveranstaltungen zum Thema der gemeinsamen Geschichte Österreichs und Tschechiens dar, wobei das gesamte Gesellschaftsspektrum als Zielgruppe angesprochen werden soll.So erleben etwa im Rahmen von „Tagen an der Grenze“ Schüler von beiden Seiten der Grenze gemeinsame Aktionstage, die zum Beispiel in Form von Oral-History Workshops interaktiv gestaltet werden.

Größere Vermittlungsveranstaltungen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt werden, sind zum Beispiel die „Junge Uni Waldviertel“ oder internationale Konferenzen zur Präsentation der wissenschaftlichen Projektergebnisse bzw. zur Schaffung von Plattformen für den Austausch der Scientific Community von beiderseits der Grenze, wie etwa im Rahmen der „Österreichisch-tschechischen Historikertage“.

Die Außenstelle Raabs an der Thaya des BIK war dabei projektverantwortlich, wobei sie mit vier Partnern aus der Grenzregion kooperierte wie u. a. der Europa-Brücke Raabs, der Südböhmischen Universität Budweis/Ceske Budjevice, dem Kreisamt der Region Vysocina und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Historisches Institut, Außenstelle Budweis/ Ceske Budjevice). Das Boltzmann-Institut trug zum gemeinsamen Projekt mit seiner Forschungsleistung zu den Themen „Eiserner Vorhang“ und „die Rolle der tschechoslowakischen Geheimdienste in Österreich im Kalten Krieg“ bei, entwickelte aus den Forschungsergebnissen Vermittlungsveranstaltungen bzw. trägt zu den Veranstaltungen der Projektpartner bei. Im Laufe des Jahres 2012 veranstaltete das Institut dazu zwei wissenschaftliche Konferenzen in Raabs an der Thaya, unterstützte die „Junge Uni Waldviertel“ mit Vortragenden, alles neben der Beteiligung an den verschiedensten Aktivitäten der Partner in Südböhmen und der Vysocina.

Das deutschsprachige Exil in Kanada

Flucht und Vertreibung von Österreich nach Kanada nach dem „Anschluss“ 1938 wurden bislang nur fragmentarisch untersucht; eine systematische und umfassende Erforschung des erzwungenen Exils in Kanada ist noch ausständig. Das Forschungsprojekt möchte dazu beitragen, das bestehende Forschungsdesiderat zu verringern.

Projekt: „Flucht, Deportation, Internierung. Auf den Spuren österreichischer NS-Flüchtlinge in Kanada“

Das Projekt rückt einen in Österreich (und auch in Deutschland) bislang wenig rezipierten Aspekt der Exilforschung in das Blickfeld. Es werden Namen, biografische Grunddaten und, wenn verfügbar, weitere Daten jener Männer erfasst, die 1938/39 vor den Nationalsozialismus nach Großbritannien geflüchtet waren und auf drei Schiffen im Juli 1940 als „enemy aliens“ nach Kanada deportiert und dort in Internierungslagern festgehalten wurden. Die in kanadischen, britischen und österreichischen Archiven erhobenen Daten sollen eine Grundlage schaffen, um die Österreicher in der Gruppe der verschifften deutschsprachigen Flüchtlinge zu identifizieren und können als Basis für weitere biografische und kollektiv-biografische Untersuchungen, etwa zur Ermittlung der geografischen und sozialen Herkunft der so genannten „internierten Flüchtlinge“, ihrer Altersstruktur und beruflichen Ausbildung bzw. ihrem weiteren Werdegang in Kanada oder anderswo dienen.

Im Zuge der Recherchen wurden bislang 663 Österreicher unter den nach Kanada deportierten Flüchtlingen identifiziert. 343 Männer kehrten während des Zweiten Weltkriegs nach Großbritannien zurück; nachdem die unrechtmäßige Deportation von Flüchtlingen nach Kanada dem britischen Parlament und der Öffentlichkeit bekannt geworden und stark kritisiert worden war, hatte die britische Regierung eine Rückkehrmöglichkeit nach einer individuellen Fallprüfung eingeräumt. Weitere sieben Österreicher wurden in Drittstaaten entlassen (z.B. Kuba, Argentinien) und 313 österreichische Männer verblieben in Kanada. Sie wurden in einem rund zweijährigen Prozess bis Ende 1943 aus der kanadischen Internierung entlassen. Ein Großteil von ihnen verblieb in Kanada und baute sich dort ein neues Leben auf. Ein kleinerer Teil wanderte später weiter (v.a. in die Vereinigten Staaten von Amerika); Gründe dafür waren Ausbildungsmöglichkeiten, Arbeitsangebote oder auch der Wunsch, mit überlebenden Verwandten wieder zusammen leben zu können.

Im Rahmen der Projektarbeit wurden mehrere Vorträge im Rahmen von Konferenzen in Kanada, Österreich, Polen und Deutschland gehalten bzw. folgt ein weiterer Vortrag im Jänner 2023 in London (Birkbeck College, London University).

Es wurden zwei Peer-Reviewed-Artikel in englischer Sprache („Traveling knowledge: Refugees from Nazism and their Impact on Art Music and Musicology in post-1945 Canada“ und „Forced to flee and deemed suspect: Tracing life stories of interned refugees in Canada during and after the Second World War”) für Anthologien verfasst, die bei Routledge bzw. im Transcript Verlag erscheinen.

Ein weiterer Beitrag wird in dem von Gabriele Anderl herausgegebenen Sammelband „Hinter verschlossenen Toren – die Internierung von Geflüchteten von den 1930er Jahren bis in die Gegenwart“ veröffentlicht (Theodor Kramer Verlag Wien).

Projektteam: Andrea Strutz (Leitung), Michaela Tasotti und Thomas Schreiber.
Fördergeber: Zukunftsfonds der Republik Österreich, P19‐3632 und  Land Niederösterreich

Project: “Flight, Deportation, Internment: Tracing Austrian Refugees from Nazism in Canada”

The research aims to shed light on those refugees from Nazism who had to flee from Austria to Britain, were deported to Canada and detained there in internment camps. The data collected in Canadian, British, and Austrian archives should provide a basis for identifying these Austrians and will serve as a basis for further biographical and collective biographical research, e.g. to determine the geographic and social origin of the so called “interned refugees”, their age structure and vocational training or their subsequent lives in Canada or elsewhere.

During research, 663 Austrians have so far been identified among the refugees deported to Canada. 343 men returned to Great Britain during the Second World War; after the unlawful deportation of refugees to Canada had become known to the British Parliament and the public and had been strongly criticized, the British government had granted a possibility of a return after an individual case examination. Another seven Austrians were released to third countries (e.g. Cuba, Argentina) and 313 Austrian men remained in Canada. They were released from Canadian internment in a process that lasted about two years, until the end of 1943. A large number of them remained in Canada and built a new life there. A smaller number of them later moved on (mainly to the United States of America); reasons were education, job offers or the desire to be able to live together again with surviving relatives.

As part of the project work, several presentations were given at conferences in Canada, Austria, Poland and Germany, and another presentation will follow in January 2023 in London (Birkbeck College, London University). Two peer-reviewed articles in English („Traveling knowledge: Refugees from Nazism and their Impact on Art Music and Musicology in post-1945 Canada“ and „Forced to flee and deemed suspect: Tracing life stories of interned refugees in Canada during and after the Second World War“) have been written for anthologies published by Routledge and Transcript, respectively. A further contribution will be published in the anthology “Hinter verschlossenen Toren – die Internierung von Geflüchteten von den 1930er Jahren bis in Gegenwart“ edited by Gabriele Anderl (Theodor Kramer Verlag Vienna).

Project team: Andrea Strutz (head), Michaela Tasotti and Thomas Schreiber.
The research is funded by the Future Fund of the Republic of Austria, P19‐3632 and the Federal Government of Lower Austria.

a. Historisches Quellenmaterial, Alex Dworkin Canadian Jewish Archives, Montreal; Foto: BIK/Strutz