Abgeschlossene Projekte der Programmlinie „Kalter Krieg“
Aktivitäten tschechoslowakischer Nachrichtendienste
Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF beschloss im März 2020 die Förderung eines internationalen dreijährigen Forschungsprojekts zum Thema „Die Aktivitäten tschechoslowakischer Nachrichtendienste in Österreich im zentraleuropäischen Kontext 1948–1960. Netzwerke – Operationen – Wirkung“ (FWF P-33220 G) unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx. Es wurde am Institut für Geschichte der Universität Graz in Kooperation mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung durchgeführt.
Zum Thema
Bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begannen die neu formierten tschechoslowakischen Nachrichtendiente ihre ersten Aktivitäten im benachbarten Österreich. Kurz nach der kommunistischen Machtübernahme im Februar 1948 nahmen diese Aktivitäten stark zu – Österreich wurde zu einer wichtigen Drehscheibe für Operationen gegen den „Westen“. In der ersten Hälfte der 1950er-Jahre, während der Besatzungszeit, wurden viele aus der Sicht der Sowjetunion kritische Operationen von tschechoslowakischen Netzwerken und ihren Mitarbeitern durchgeführt. Dem US-amerikanischen Counterintelligence Corps (CIC, militärische Spionageabwehr) zufolge gehörten die tschechoslowakischen Nachrichtendienste zu den „aktivsten“ Diensten aus Osteuropa, die gerade auf österreichischem Gebiet eine entscheidende Rolle im aufkommenden Kalten Krieg spielten.
Die tschechoslowakischen Aktivitäten in Österreich insgesamt waren bislang kaum erforscht. Das vom FWF geförderte Projekt hat eine systematische Analyse der Aktivitäten der tschechoslowakischen Residenturen (nachrichtendienstlichen Stützpunkten) in Wien und Salzburg und deren Personals in der ersten Hälfte des Kalten Krieges zum Ziel, mit Vergleichen zu anderen wichtigen Stationen der tschechoslowakischen Dienste. Zentrale Fragestellungen waren etwa, wie die dafür notwendigen, geheimem Netzwerke geschaffen, erhalten und abgesichert, welche operativen Methoden angewandt und welche Ziele verfolgt wurden. Die Ergebnisse des Projektes leisteten damit einen wichtigen Beitrag zu den Cold War Studies.
Das Team
Das Projekt wurde von Univ.-Prof. Dr. Barbara Stelzl-Marx geleitet, Professorin für Europäische Zeitgeschichte an der Universität Graz und Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung. Mag. Dieter Bacher war für die Koordination zuständig und führte die Nachforschungen in britischen und US-Archiven durch, Mag. Philipp Lesiak war für die Recherchen in tschechischen und slowakischen Archiven verantwortlich, und Mag. Sabine Nachbaur erhob die in österreichischen Archiven vorhandenen und zugänglichen Unterlagen zu diesem Thema.
Österreich und Bulgarien im Kalten Krieg
In den letzten 30 Jahren haben Wissenschaftler aus Österreich und anderen Ländern die Beziehungen Österreichs zu den Staaten des Warschauer Paktes während des Kalten Krieges untersucht. Wichtige Publikationen sind über Österreichs „Nachbarschaftspolitik“ zu allen osteuropäischen Staaten erschienen, mit einer Ausnahme – Bulgarien.
Die einzigen nennenswerten Studien, die bisher erschienen sind, befassen sich mit den bulgarisch-österreichischen Beziehungen fast ausschließlich im kulturellen Bereich. Das vom ÖAD geförderten Projekt, versucht auf der Basis umfangreicher Archivrecherchen diese Lücke zu schließen. Das Projekt wird auf österreichischer Seite von Peter Ruggenthaler, auf bulgarischer Seite von Alexandre Kostov (Institut für Slawische Studien an der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften) geleitet.
Todesfälle bei Fluchtversuchen von DDR-Bürgern
Das Teilprojekt des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität Berlin recherchiert derzeit tödlich gescheiterte Fluchtversuche an den Grenzen der CSSR, Ungarns, Bulgariens, Rumäniens, Jugoslawiens und Polens. Vielen gelungenen Fluchten steht eine unbekannte Zahl von Festnahmen und Todesfällen bei gescheiterten Fluchtversuche gegenüber.
Das Forschungsteam überprüft in ost- und westdeutschen Überlieferungen rund 450 Verdachtsfälle. Wissenschaftliche Kooperationspartner in Polen, Tschechien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, dem ehemaligen Jugoslawien und Österreich recherchieren in dortigen Archiven nach Überlieferungen der Grenztruppen und Sicherheitsorgane zu Todesfällen von DDR-Bürgern am Eisernen Vorhang.
Das BIK unterstützt als österreichischer Kooperationpartner das Projekt bei Fällen entlang der früheren österreichisch-tschechoslowakischen und österreichisch-ungarischen Grenze.
PROJEKTLEITUNG: Forschungsverbund SED-Staat
PROJEKTMITARBEITER: Dieter Bacher
FÖRDERER: Bundesministerium für Bildung und Forschung der Bundesrepublik Deutschland
LAUFZEIT: 2019–2023
Die Rolle der neutralen Staaten 1969-1975
Aufgrund der bislang in russischen Archiven zu diesem Zeitraum (1969-75) gesperrten Akten, konnte die sowjetische Politik zu den neutralen Staaten nicht erforscht werden. Nunmehr, mit der kürzlich erfolgten Deklassifizierung der Aktenbestände des Zentralkomitees der KPdSU, kann erstmals eingehend die sowjetische Politik im Hinblick auf diese vier neutralen Staaten während dieser entscheidenden Phase der Entspannung zwischen Ost und West sowie des KSZE-Prozesses analysiert werden.
Das vom FWF geförderte österreichisch-russische Forschungsprojekt „Die Rolle der neutralen Staaten (Österreich, Schweden, Finnland, Schweiz) in der sowjetischen Außenpolitik, 1969–1975“ wird in enger Kooperation mit internationalen Partnern wie der Harvard University und der Stockholm University durchgeführt und widmet sich der Entstehungsgeschichte des KSZE-Prozesses. Konkret geht es der Frage nach, wie Moskau damals die Rolle der vier neutralen Staaten Österreich, Schweden, Finnland und der Schweiz sah, wie die UdSSR diese Staaten für ihre Interessen nutzte, sie mitunter sogar manipulierte bzw. ob und inwiefern sich die Aktivitäten der neutralen Staaten in Entscheidungen in Moskau manifestierten.
Die dem Projektteam unter der Leitung von Peter Ruggenthaler zu Verfügung stehende Quellenbasis eröffnet wissenschaftliches Neuland. Zu nennen sind dabei vor allem die Bestände des KPdSU-Generalsekretärs Leonid Breschnjew und des Politbüros, die im Russischen Staatsarchiv für Zeitgeschichte verwahrt werden (RGANI) und erst kürzlich deklassifiziert wurden.
Die Ostpolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Brežnev-Ära
2016 unterzeichnete das BIK, die Konrad-Adenauer-Stiftung und das Russische Staatsarchiv für Zeitgeschichte eine Absichtserklärung über die gemeinsame Durchführung eines Forschungsprojektes zur „Ostpolitik“ auf der Basis der bislang nicht zugänglichen Bestände des Archivs aus der Brežnev-Zeit. Ziel des Projektes ist zunächst eine größtmögliche Aktenerhebung aus dem persönlichen Brežnev-Bestand und der diversen Abteilungen des ZK der KPdSU. Geplant sind gemeinsame wissenschaftliche Publikationen und die Durchführung mehrerer Fachtagungen und Konferenzen.
Im Online-Portal www.ostpolitik.de werden erstmals Schriftstücke zur Deutschlandpolitik der Jahre 1967 bis 1972 aus dem Bestand des Generalsekretärs der KPdSU, Leonid Il’ič Brežnev, sowohl als Faksimile der russischsprachigen Original-Dokumente als auch in deutschsprachiger Übersetzung veröffentlicht.
September 2020: Russische Ausgabe des Dokumentenbandes zum Projekt erschienen.
Der Zerfall der Sowjetunion 1991
Das vorliegende Forschungsprojekt befasst sich mit den Entwicklungen und Mechanismen, die 1991 zum Zerfalls der UdSSR und zur Neugestaltung der politischen Landkarte in Osteuropa geführt haben. Das Projekt wird von einem internationalen Forschungsnetzwerk durchgeführt und wertet bislang nicht zugängliche Aktenmaterialien aus Russland und weiteren osteuropäischen Archiven aus.
Vor einem Vierteljahrhundert trat das ein, womit nicht einmal die erfahrensten Beobachter gerechnet hätten: zunächst löste sich der Ostblock auf, schließlich die Sowjetunion selbst. Die baltischen Staaten, Weißrussland, die Ukraine, die kaukasischen und zentralasiatischen Sowjetrepubliken erlangten ihre Unabhängigkeit.
Die Historiographie hat sich bislang nur in Ansätzen dem Zerfallsprozess annähern können. Was der Sowjetunion letzten Endes den entscheidenden Todesstoß versetzt? Aufgrund der in den letzen Jahren geöffneten und im geplanten Projekt zu erwartenden neuen Akten des ZK der KPdSU, des Politbüros und des Obersten Sowjets wird dieser Zerfallsprozess mit seinen ungeheuren Auswirkungen auf Europa und die Welt dargestellt werden können. Der Putsch im August 1991, als die „alten Mächte“ noch einmal versuchten, das Steuer herumzureißen, über die Fragen einer Konföderation der 15 Unionsrepubliken, die Umgestaltung des Finanzsystems, die Nationalitätenfragen (Tschetschenien, Südkaukasus, Abchasien, Georgien, Berg-Karabach, Moldau-Transnistrien, die Schwarzmeer-Region, das Baltikum und die Ukraine, als das größte europäische Land).
Der Zerfall der Sowjetunion 1991, die damit zusammenhängen außen-, militär- und sicherheitspolitischen Fragen, die ökologischen und wirtschaftlichen Probleme gehören ebenfalls zentral in diesen Forschungskomplex. Ebenso wie die Chancen, die sich durch die Öffnung der Länder und Märkte für den „Westen“, darunter auch für Österreich, auftaten.
Das Vorhabens-Projekt 2015-2017 schließt nahtlos an das am BIK durchgeführte Forschungsprojekt über das Revolutionsjahr 1989 an. Es wird ein breit angelegtes Forschungsnetzwerk (unter Beteiligung von Wissenschaftlern aus der baltischen Republiken, der Ukraine, Weißrussland, Moldawien/Rumänien und der südkaukasischen Staaten) diesen Fragestellungen nachgehen.
Die „Wende“ 1989 in Osteuropa
Das Projekt „Das Ende einer Epoche. Der Kreml und Osteuropa 1989“ widmet sich der sowjetischen Perzeption der „Wende in diesem Jahr. Ereignisse wie die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ durch Ungarn, die Wahl des ersten nicht-kommunistischen Regierungshefs in Polen, der Fall der „Berliner Mauer“, die Annäherung zwischen den USA und der UdSSR und das Ende des „Kalten Krieges“, die „Samtene Revolution“ in der CSSR oder der Umsturz in Bulgarien veränderten binnen weniger Monate das Jahr 1989 das Gesicht Europas.Die Interna der Sicht Moskaus auf diese Ereignisse waren bislang noch nicht freigegeben. Was spielte sich hinter den dicken Mauern des Kremls ab und wie formierte sich im Politbüro jene Konstellation, die schließlich den politischen Umbruch in de Satellitenstaaten zuließ?
Dieses Forschungsprojekt widmet sich genau diesen Prozessen in Ostreuropa. Dazu werden vom Russischen Staatsarchiv für Zeitgeschichte (RGANI) erstmals die einschlägigen ZK-Unterlagen zugänglich gemacht. Ein ergänzendes Bild ermöglichten die Archive der mittelost- und osteuropäischen Staaten. Das Vorhaben ist ein auf drei Jahre angelegtes Kooperationsprojekt mit vielen Forschungsinstitutionen und wird durch die Österreichisch-Russischen Historikerkommission befürwortet. Ein weites Forschungsnetzwerk international renommierter Historiker zur Erforschung des Kalten Krieges bildet die weitere Basis des Forschungsvorhabens.
2012/2013 veranstaltete das Institut gemeinsam mit den Projektpartnern des Netzwerkes vier Arbeitstagungen: in Kooperation mit der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Berlin an der Gedenkstätte Berliner Mauer (Mai 2012); mit dem Österreichischen Kulturforum Budapest und der Ungarischen Akademie der Wissenschaften an der Andrássy-Universität (September 2012), im Mai 2013 die Konferenz „The roots of the collapse of the Soviet Union and the Eastern Bloc – economic aspects (1989/91)“ an der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau in Kooperation mit dem European Network Remembrance and Solidarity und im November 2013 an der Harvard University in Cambridge.
Als Resultat der wissenschaftlichen Zusammenarbeit werden bis Ende 2014, dem 25. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer kommentierte Quelleneditionen in deutscher und russischer Sprache sowie drei Bände mit wissenschaftlichen Beiträgen in englischer Sprache erstellt. Die Publikationen folgen dem Muster der Bände über den „Wiener Gipfel 1961. Kennedy und Chruschtschow“, „Prager Frühling 1968“ oder die „Rote Armee in Österreich 1945-55“. Die Quelleneditionen werden die wichtigsten Beschlüsse und Entscheidungen der sowjetischen Staatsspitze bzw. der Warschauer-Pakt-Staaten beinhalten, ebenso Beschlüsse des Präsidiums des ZK der KPdSU, Apparates (Abteilungen) des ZK der KPdSU, KGB-Berichte, Analysen sowjetischer Botschaften in Osteuropa u. v. m. Der Beitragsband umfasst eine breite Palette an Themen, beinhaltet wissenschaftliche Aufsätze international renommierter Historiker aus Europa, den USA und Russland und wurde in der Harvard Cold War Book Series (Serienherausgeber: Mark Kramer) publiziert.
Tschechoslowakische Nachrichtendienste in Österreich
Diese Projekte widmnt sich der Identifizierung, Sichtung und Digitalisierung der Österreich-relevanten Akten in den Archiven des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes der Tschechoslowakei in Prag und Bratislava sowie der Grenztruppen in Brno/Kanice. Die tschechoslowakischen Nachrichtendienste waren gemäß westlicher Einschätzungen die aktivsten osteuropäischen Dienste in Österreich. Ergänzend werden britische, amerikanische und österreichische Quellen zu den Aktivitäten ausländischer Nachrichtendienste in Österreich während des Kalten Krieges ausgewertet.
Zentrale österreichische Drehscheibe zur Erforschung der Tätigkeit der tschechoslowakischen Geheimdienste in Österreich während des Kalten Krieges ist die Außenstelle des Instituts in Raabs/Thaya. Mit der Unterstützung der tschechischen Kolleginnen und Kollegen konnten bereits tausende Seiten Aktenmaterial gesichtet und teilweise ausgewertet werden.
Die Recherchen und Auswertung der Quellen erfolgt v. a. nach folgenden Schwerpunkten: die in Österreich zwischen 1945 und 1989 aktiven tschechoslowakischen Geheimdienststrukturen, die strategischen und operativen Ziele sowie Felder der geheimdienstlichen Operationen, österreichische Informanten und Mitarbeiter, der „Eiserne Vorhang“ als tödliche Barriere zwischen beiden Staaten, Auswahl und Rekrutierung von Geheimdienst-Mitarbeitern und Zuträger, Agenten, Spione.
Im Rahmen der Projekte wurden neben den Forschungen bereits mehrere projektinterne Workshops sowie Konferenzen zum Thema „Die Rolle und Operationen der tschechoslowakischen Geheimdienste in Österreich 1945-1989“ organisiert und durchgeführt.
Erste Ergebnisse der Projekte wurden etwa 2013 in der Publikation „HALT! Tragödien am Eisernen Vorhang. Die Verschlussakten“ und weiteren wissenschaftlichen Artikeln der Öffentlichkeit vorgestellt.
Kulturlandschaften und Identitäten an der Grenze
Als Folge der sehr positiven Publikumsresonanz auf die Niederösterreichische Landesausstellung 2009 „Österreich – Tschechien, geteilt – getrennt – vereint“ wurde im Laufe des Jahres 2010 ein EU-Projekt zur nachhaltigen Erforschung des gemeinsamen österreichisch-tschechischen Kulturraumes konzipiert.
Ziel des Projektes „Kulturlandschaften und Identitäten entlang der tschechisch-österreichischen Grenze“ stellt die Entwicklung und Umsetzung einer breiten Palette von Vermittlungsveranstaltungen zum Thema der gemeinsamen Geschichte Österreichs und Tschechiens dar, wobei das gesamte Gesellschaftsspektrum als Zielgruppe angesprochen werden soll.So erleben etwa im Rahmen von „Tagen an der Grenze“ Schüler von beiden Seiten der Grenze gemeinsame Aktionstage, die zum Beispiel in Form von Oral-History Workshops interaktiv gestaltet werden.
Größere Vermittlungsveranstaltungen, die im Rahmen des Projektes durchgeführt werden, sind zum Beispiel die „Junge Uni Waldviertel“ oder internationale Konferenzen zur Präsentation der wissenschaftlichen Projektergebnisse bzw. zur Schaffung von Plattformen für den Austausch der Scientific Community von beiderseits der Grenze, wie etwa im Rahmen der „Österreichisch-tschechischen Historikertage“.
Die Außenstelle Raabs an der Thaya des BIK war dabei projektverantwortlich, wobei sie mit vier Partnern aus der Grenzregion kooperierte wie u. a. der Europa-Brücke Raabs, der Südböhmischen Universität Budweis/Ceske Budjevice, dem Kreisamt der Region Vysocina und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik (Historisches Institut, Außenstelle Budweis/ Ceske Budjevice). Das Boltzmann-Institut trug zum gemeinsamen Projekt mit seiner Forschungsleistung zu den Themen „Eiserner Vorhang“ und „die Rolle der tschechoslowakischen Geheimdienste in Österreich im Kalten Krieg“ bei, entwickelte aus den Forschungsergebnissen Vermittlungsveranstaltungen bzw. trägt zu den Veranstaltungen der Projektpartner bei. Im Laufe des Jahres 2012 veranstaltete das Institut dazu zwei wissenschaftliche Konferenzen in Raabs an der Thaya, unterstützte die „Junge Uni Waldviertel“ mit Vortragenden, alles neben der Beteiligung an den verschiedensten Aktivitäten der Partner in Südböhmen und der Vysocina.
Der Wiener Gipfel 1961
Dieses Forschungsprojekt widmete sich dem Gipfeltreffen zwischen Nikita S. Chruschtschow und John F. Kennedy im Juni 1961 in Wien. Über 60 Historiker und an den damaligen Ereignissen beteiligte Personen arbeiteten 3 Jahre lang in einem internationale Forschungsnetzwerk zu diesem Thema. Es beleuchtete nicht nur das Treffen selbst, sondern auch die zu diesem Zeitpunkt herrschende weltpolitische Lage, eine nicht unheikle und „heiße“Phase des Kalten Krieges.
Anfang Juni 1961 sollte der Kalte Krieg eine Atempause einlegen. Die Führer der beiden Supermächte, John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow, trafen sich zum Gipfel in Wien. Doch die Hoffnungen trogen. Binnen Monaten war der Kalte Krieg ganz heiß: In Berlin ließ Chruschtschow die Mauer bauen. Und im Jahr darauf schickte er Raketen nach Kuba, um die USA direkt zu bedrohen. War der Wiener Gipfel ein Fehlschlag? Ja, denn es gab kaum zählbare Ergebnisse. Nein, denn erstmals sahen die Supermächte, dass es nur einen Weg gab, der Apokalypse ihrer Atom-Arsenale zu entrinnen: den Dialog. Der „Friede durch Angst“ und der „heiße“ Draht zwischen Washington und Moskau verhinderten eine atomare Konfrontation. Österreich stellte dabei seine neue Rolle als neutraler Staat und Gastgeber erfolgreich unter Beweis. Wien wurde zum Ort der Begegnung im Kalten Krieg. Auf Basis neuer russischer und westlicher Quellen analysieren internationale Experten, was sich damals wirklich abspielte. Und wie nahe man an einer Katastrophe vorbeischrammte.
Die Arbeiten dazu erfolgten während eines dreijährigen internationalen Forschungsprojektes: Über 60 Historikerinnen und Historiker und damals handelnde Persönlichkeiten aus Europa, Russland und den USA arbeiteten in einem großen Forschungsnetzwerk unter Leitung des Instituts am Thema.
Die Projektergebnisse wurden 2011 durch Publikationen in deutscher und russischer Sprache sowie mehrerer internationaler Konferenzen (25. März 2011 an der Harvard-University und 19.–21. Mai 2011 an der Diplomatischen Akademie Wien) der Öffentlichkeit präsentiert und in einem rund 1000-seitigen Sammelband mit Beiträgen von über 40 Experten publiziert. 2014 erschien in der Reihe „Cold War Studies Book Series“ an der Harvard-University eine englische Ausgabe des Bandes, der, wie schon zuvor der englische Band zum „Prager Frühling“, vom Rezensionsmagazin „Choice“ des US-amerikanischen Bibliothekenverbundes im Bereich „History, Geography & Area Studies“ als eines von 14 Büchern zum „Outstanding Academic Title 2014“ gekürt.
Prager Frühling 1968
In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 marschierten Truppen der Warschauer Pakt Staaten (der UdSSR, Polens, der DDR, Ungarns und Bulgariens) in der Tschechoslowakei ein. Sie beendeten damit gewaltsam die Reformbewegung des tschechoslowakischen KPChefs Alexander Dubcek, der sich für einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ eingesetzt hatte. Der „Prager Frühling“ wurde brutal unterdrückt.
Knapp vier Jahrzehnte nach diesen, die bipolare Welt in Atem haltenden Ereignissen, führte das Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung von 2006 bis 2008 ein internationales Forschungsprojekt über den „Prager Frühling 1968“ durch und legte unter Beteiligung von über 100 Historikern aus aller Welt eine fast 3000 Seiten starke Publikation in deutscher Sprache vor. 2009 erschienen auf der Basis der Forschungsarbeit weitere Publikationen, u.a. in Kooperation mit der Harvard University ein englischsprachiger Sammelband sowie in Kooperation mit italienischen Kollegen, ein italienisch-sprachiger Sammelband. Darüber hinaus erschien die erste von zwei geplanten russischsprachigen Veröffentlichungen im Rahmen des Projektes. Das Projekt zeichnete insbesondere die Entstehungsgeschichte der Niederschlagung des „Prager Frühlings“ und seiner Konsequenzen innerhalb des sowjetischen Machtbereichs nach.
Die Rote Armee in Österreich 1945-1955
Trotz der teilweisen Öffnung sowjetischer Archive Anfang der 1990er Jahre bestand bislang ein markantes Ungleichgewicht zwischen den zahlreichen Forschungen über die westalliierten Zonen Österreichs, die sich auf eine Fülle von Primärquellen stützen konnten, und dem Forschungsfeld der sowjetischen Besatzung Österreichs 1945–1955. Aufgrund des Mankos an sowjetischen Primärquellen mussten selbst zentrale Fragestellungen der sowjetischen Besatzungsorganisation und -politik gegenüber Österreich weitestgehend unbeantwortet bleiben und konnten lediglich rudimentär auf der Basis vor allem britischer und amerikanischer Quellen beleuchtet werden. Ziel des vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Bundesministerin Elisabeth Gehrer) geförderten bilateralen Forschungsprojektes war es daher, diese Forschungslücke durch die Erschließung relevanter Primärquellen zu verringern, die Diskussion über diese Epoche in der österreichischen Geschichte zu versachlichen und die österreichisch-russischen Beziehungen in Kenntnis der gemeinsamen Geschichte zu vertiefen. Als Resultat des von Juli 2002 bis Dezember 2005 am Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, Graz – Wien – Klagenfurt, gemeinsam mit russischen und österreichischen Institutionen und Archiven durchgeführten Forschungsprojektes „Die Rote Armee in Österreich“ erschienen im April 2005 zwei, zusammen fast 2000 Seiten starke Bände im Oldenbourg-Verlag (die 2., durchgesehene Auflage kam im Oktober 2005 heraus).