icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Österreichische „Besatzungskinder“ – ein Blogbeitrag von Nadjeschda Stoffers
17 Okt 2022 von lbik

Österreichische „Besatzungskinder“ – ein Blogbeitrag von Nadjeschda Stoffers

„Bis zu 30.000 Kinder österreichischer Frauen und alliierter Soldaten wurden laut Schätzungen zwischen 1945 und 1956 geboren. Viele von ihnen erlebten in ihrer Kindheit und Jugend Stigmatisierung und Ausgrenzung“, schreibt BIK-Mitarbeiterin Nadjeschda Stoffers in ihrem Blogbeitrag über österreichische „Besatzungskinder“ auf der Plattform „fernetzt“ – dem Verein zur Förderung junger Forschung zur Frauen- und Geschlechtergeschichte.

„Während der Besatzungszeit ergaben sich unterschiedliche Interaktionen zwischen österreichischen Frauen und Soldaten aller vier alliierten Armeen.[1] In der kollektiven Erinnerung des Kriegsendes 1945 sind Vergewaltigungen österreichischer Frauen (insbesondere durch sowjetische Soldaten) sehr präsent [2] – eine Erzählung, die zunächst auch durch nationalsozialistische Propaganda geprägt worden war. Sexuelle Übergriffe fanden und finden im Kontext von Kriegen regelmäßig statt, dies galt auch in den Monaten während und nach dem Kriegsende für alle vier Besatzungszonen in Österreich“, erklärt Nadjeschda Stoffers, die zum Thema „Besatzungskinder“ ihre Masterarbeit, betreut von Prof.in Kerstin von Lingen (Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien), in diesem Jahr abgeschlossen hat.

Weiters zeigt die BIK-Mitarbeiterin auf, dass das Spektrum der Kontakte und Beziehungen zwischen Österreicherinnen und alliierten Soldaten im Laufe der Nachkriegsjahre breit gefächert war: „Diese gingen vom (auch notgedrungenen) Anbieten sexueller Dienstleistungen über kurze Affären und Liebschaften bis hin zu jahrelangen Beziehungen und Eheschließungen.“ Aus diesen Beziehungen und Kontakten entstanden die sogenannten „Besatzungskinder“ – manche Betroffene bevorzugen auch den Begriff „Befreiungskinder“.

Um die Diversität der Alltagserfahrungen in deren Kindheit und Jugend genauer zu beleuchten, führte Nadjeschda Stoffers mit elf Betroffenen je zwei Interviews. Das gesammelte Quellenmaterial wurde anhand von zehn induktiv und deduktiv erstellten Kategorien analysiert, die das Alltagserleben der Kinder in der Nachkriegszeit beeinflussten: Das Geburtsjahr, die Besatzungszone, der Geburtsort, das Geschlecht des Kindes und sein Erscheinungsbild, der finanzielle Hintergrund der Mutter, die Beziehung der biologischen Eltern zueinander, sowie der Umgang des sozialen wie familiären Umfelds und der Zeitpunkt des Erfahrens über den biologischen Vater.

Im Resümee betont sie die anhaltende Aktualität und schrittweise Enttabuisierung der Thematik: „In den letzten zwei Dekaden wurden die Geschichten der „Besatzungskinder“ dank zeitgeschichtlicher Forschung, u.a. am BIK, medialer Berichterstattung und der Veröffentlichung von (Auto)Biografien bekannter und stückweise enttabuisiert. Dennoch wissen viele Betroffene wenig bis nichts über ihren biologischen Vater, auch die Suche nach diesem gestaltet sich meist sehr herausfordernd – für zwei Interviewees bis heute. In dem Themenkomplex der „Besatzungskinder“ manifestieren sich gesellschaftliche, politische, soziale und zeitgeschichtliche Kontinuitäten und Brüche, die über die vergangenen Jahrzehnte nichts von ihrer Aktualität und Relevanz verloren haben.“

Zum Blogbeitrag
a. Blogbeitrag auf „fernetzt“