Die Steiermärkische Landesbibliothek in der NS-Zeit

Projekt „Die Steiermärkische Landesbibliothek in der NS-Zeit“

Die Steiermärkische Landesbibliothek (StLB) kann als heute älteste und größte Landesbibliothek Österreichs auf eine lange Tradition als wissenschaftliche Bibliothek zurückblicken: 1812 wurde sie auf Grundlage einer Privatsammlung (ca. 30.000 Exemplare) von Erzherzog Johann gegründet. Nach der 1847 erfolgten staatlichen Anerkennung der „Technischen Lehranstalt am Joanneum“ und deren Erhebung in den Rang einer Technischen Hochschule 1865 nahm die Bibliothek zunehmend den Charakter einer Hochschulbibliothek an. Als die Technische Hochschule samt Lehrmittelbestand und -dotierung 1874 vom Staat übernommen wurde, stand die Bibliothek beinahe vor der Schließung. Mit der Übernahme der umfassenden Privatbibliothek des Franz Ritter v. Heintl von rund 23.000 Bänden und Heften 1881 war jedoch nicht nur der Weiterbestand der Einrichtung gesichert, sondern auch die Umwandlung in eine „Landesbibliothek“ vollzogen. 1932 übernahm die StLB den dichterischen Nachlass Peter Roseggers als Dauerleihgabe.
Ab den 1960er-Jahren setzte sich an der StLB eine Schwerpunktverlagerung auf die Pflege der Geisteswissenschaften durch bei gleichzeitiger Sammlung, Bewahrung und Erschließung des steirischen Schrifttums. Mit Jänner 2014 übernahm Katharina Kocher-Lichem die Leitung der Bibliothek. Heute sieht sich die StLB als Bildungseinrichtung für alle BürgerInnen des Landes und als ein modernes Kultur- und Kommunikationszentrum, welches das steirische Kulturerbe verwaltet. „Sie versteht sich als wissenschaftliche Bibliothek mit stark geisteswissenschaftlicher Ausrichtung.“ Der Bestand umfasst mittlerweile mehr als 765.000 Bände und 25.000 digitale Medien.

Zum Projekt:

Eine wissenschaftliche Betrachtung der StLB in der NS-Zeit liegt bis dato nicht vor. Abgesehen von dem kurzen geschichtlichen Abriss „Die Steiermärkische Landesbibliothek“ von Hans Hegenbarth, der die Jahre 1938 bis 1945 auf einer halben Seite streift, und Dieter A. Binders Aufsatz zum Bibliotheksdirektor der StLB zwischen 1937 und 1954 Julius Franz Schütz, in dem er dessen NSDAP-Zugehörigkeit mit Einheits-Eintrittsdatum der „Illegalen“ per 1. Mai 1938 thematisiert, gibt es keinerlei und schon gar keine tiefergehenden Arbeiten auf diesem Gebiet.
Dieses Desiderat zu beheben, ist Ziel des geplanten, eineinhalbjährigen Forschungsprojekts, das von der Antragstellerin geleitet sowie durchgeführt wird und am Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung (BIK) angesiedelt ist. Als Kooperationspartner fungieren die Universität Graz – Institut für Geschichte, die Steiermärkische Landesbibliothek sowie die Historische Landeskommission für Steiermark (HLK).
Das Projekt versteht sich als Beitrag zur Erforschung der Geschichte österreichischer (wissenschaftlicher) Bibliotheken während der NS-Zeit sowie zur Erinnerung an das nationalsozialistische Unrecht und soll eine Lücke bei der Erforschung der Folgen des NS-Regimes schließen. Als Untersuchungszeitraum formuliert es die Jahre 1933 bis 1950, um jeweils Vor- und Nachbedingungen bzw. Rahmenbedingungen in die Betrachtungen miteinfließen lassen zu können. Anhand eines umfassenden Quellenstudiums werden drei zentrale Themenbereich – Personal-, Erwerbungs- und Bestandspolitik sowie Bibliotheksbetrieb – Gegenstand der wissenschaftlichen Aufarbeitung sein. Eine Publikation soll als Abschluss des Projektes sämtliche Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen; ihre Inhalte können auch als Basis für eine Ausstellung dienen. Ein Peer-Reviewed-Artikel soll zudem der wissenschaftlichen Fachwelt das Thema näherbringen.