Lebensborn-Heim Wienerwald: Werkstattgespräch in der Diplomatischen Akademie Wien
Die Forschungen des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung (BIK) zur Geschichte des Lebensborn-Heimes Wienerwald wurden in den Jahren 2021 bis 2023 vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert. Das BIK präsentierte erste Ergebnisse am 17. Oktober 2023 in der Diplomatischen Akademie in Wien.
Im Jahr 1904 von den jüdischen Ärzten Arthur Baer und Hugo Kraus errichtet, war das Sanatorium Wienerwald in Feichtenbach bis 1938 ein international angesehenes Lungensanatorium. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde das Gebäude „arisiert“: Die SS eröffnete das Heim Wienerwald (bis 1942: Heim Ostmark) als einziges Entbindungsheim des Vereins Lebensborn in der „Ostmark“. Es sollte dazu beitragen, auf Grundlage der nationalsozialistischen Rassenhygiene und Gesundheitsideologie die Geburtenziffer „arischer“ Kinder zu erhöhen. Im Heim sollten ausschließlich Kinder zur Welt kommen, die den rassistischen Kriterien des NS-Regimes entsprachen. Nach 1945 nutzte das Wiener Jugendhilfswerk das ehemalige Sanatorium und Lebensborn-Heim als Kinderheim. Im kommunikativen Gedächtnis ist das Gebäude vor allem als Erholungsheim der Metall- und Bergarbeitergewerkschaft seit den 1950er Jahren und als Kurhotel der Wiener Gebietskrankenkasse verankert. Seit wenigen Jahren steht das Gebäude leer.
Im Rahmen des Forschungsprojektes „Geboren im Lebensborn-Heim Wienerwald. Sammlung, Dokumentation und Aufbereitung lebensgeschichtlicher Interviews“, gefördert vom Zukunftsfonds der Republik Österreich, führte das BIK Interviews mit Personen durch, die im Lebensborn-Heim Wienerwald zwischen 1938 und 1945 zur Welt kamen. Interviewt wurden auch deren Nachkommen sowie Menschen, die durch ihre Arbeit oder ihren Wohnort in einem direkten Bezug zur Geschichte des Heimes Wienerwald standen. Die Ergebnisse des Projekts fließen insbesondere in die erste umfassende Publikation zum Heim Wienerwald ein. Das Projekt wurde von Lukas Schretter geleitet. Projektmitarbeiterinnen waren Nadjeschda Stoffers und Mag. Michaela Tasotti.
Am 17. Oktober 2023 veranstaltete der Zukunftsfonds der Republik Österreich ein Werkstattgespräch zu den BIK-Forschungen über Lebensborn in der Diplomatischen Akademie in Wien. Es begrüßten Botschafter Dr. Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, und Prof. Herwig Hösele, Vorsitzender des Kuratoriums des Zukunftsfonds der Republik Österreich. Lukas Schretter präsentierte das Interviewprojekt. Barbara Stelzl-Marx hielt einen Vortrag zum Thema „‘Heilig soll uns sein jede Mutter guten Blutes‘. Alltag und Ideologie im Lebensborn-Heim Wienerwald.“ Abschließend reflektierte Univ. Prof. Dr. Valentin Erben, im März 1945 im Heim Wienerwald geboren, über die Bedeutung und den Umgang mit diesem Aspekt seiner Lebens- und Familiengeschichte. Die Veranstaltung wurde von Mag. Anita Dumfahrt, Generalsekretärin des Zukunftsfonds der Republik Österreich, moderiert.
Die BIK-Forschungen zu Lebensborn, in Kooperation mit dem Institut für Geschichte an der Universität Graz, werden seit 2020 vom Zukunftsfonds der Republik Österreich (Projektnummer P21-4314), dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projektnummer 18270), dem Open Innovation in Science Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft und dem Land Niederösterreich, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Wissenschaft und Forschung sowie Abteilung Kunst und Kultur gefördert.