Lebensborn-Heim Wienerwald, 1938–1945: Tabu und Projektion

Das Heim Wienerwald in Feichtenbach war zwischen 1938 und 1945 ein Entbindungsheim des SS-Vereins Lebensborn. Dessen Ziel war es, unter dem Deckmantel sozialkaritativer Fürsorge die Geburtenzahl von als „arisch“ klassifizierten Kindern zu erhöhen. Insgesamt kamen im Heim etwa 1350 Kinder zur Welt.
Das Forschungsprojekt widmet sich der Geschichte des Lebensborn als Bestandteil der nationalsozialistischen Bevölkerungs- und Rassenpolitik. Es wird eine Datenbank erstellt, um die überlieferten Standesamtsakten des Heimes auszuwerten. Das Projekt untersucht auf Grundlage schriftlicher Quellen außerdem die Sozialstruktur und Lebensumstände der Frauen, die in den Lebensborn aufgenommen wurden, sowie den Heimalltag der (werdenden) Mütter und des Personals. Die Verflechtung pro- und antinatalistischer Maßnahmen der NS-Rassenpolitik zeigt sich in den Biografien jener Lebensborn-Kinder, deren Ermordung im Rahmen der NS-„Kindereuthanasie“ nachweisbar ist.

Projektleitung: Barbara Stelzl-Marx
Projektkoordination: Lukas Schretter
Projektmitarbeit: Martin Sauerbrey-Almasy, Sabine Nachbaur, Nadjeschda Stoffers
Werkverträge: Richard Wallenstorfer, Theresa Reinalter
Praktika: Mariana Kienzl, Theresa Reinalter, Richard Wallenstorfer, Felix Hafner
Laufzeit: 2020–2024
Förderung: Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projektnummer 18270); Land Niederösterreich, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Wissenschaft und Forschung

a. Lebensborn-Heim Wienerwald, 1943. Foto: Helga S., Wien

Geboren im Lebensborn-Heim Wienerwald: Sammlung, Dokumentation und Aufbereitung lebensgeschichtlicher Interviews

Menschen, die zwischen 1938 und 1945 im Heim Wienerwald in Feichtenbach zur Welt kamen, verbrachten ihre ersten Tage, Wochen oder Jahre in diesem Lebensborn-Heim. In ihren Erzählungen überlagern sich verschiedene Schichten individueller Erfahrungen und Deutungen mit Vorstellungen und Erzählungen, die in den Familien überliefert wurden. Darin liegt das Erkenntnisinteresse dieses erfahrungsgeschichtlich orientierten Interviewprojekts, das sich auf die Dynamik von Lebens- und Familiengeschichten konzentriert.
Außerdem werden Interviews mit Menschen geführt, deren Biografien in unterschiedlicher Weise mit der Geschichte des Heimes Wienerwald in Verbindung stehen: Dazu gehören Familienangehörige der im Heim Geborenen, und Menschen, die aufgrund ihres Arbeits- oder Wohnortes über die (Nach-)Geschichte des Heimes Auskunft geben können. Die gesammelten mündlichen Quellen zur Geschichte des Heimes Wienerwald offenbaren die Komplexität von Wahrnehmungen und Deutungen von Geschichte.

Projektleitung: Lukas Schretter
Projektmitarbeit: Nadjeschda Stoffers, Sabine Nachbaur
Werkverträge: Michaela Tasotti, Nadjeschda Stoffers, Mariana Kienzl, Theresa Reinalter
Praktikum: Hannah Steckelberg
Laufzeit: 2021–2023
Förderung: Zukunftsfonds der Republik Österreich (Projektnummer P21-4314)

a. BIK/Schretter

MEMORY LAB: Partizipative Forschung zum Lebensborn-Heim Wienerwald, 1938–1945

Die Erinnerungswerkstatt widmet sich der historischen Aufarbeitung des Heimes Wienerwald (1938–1945) in Feichtenbach, dem einzigen Lebensborn-Entbindungsheim auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Beteiligt sind Mitarbeiter:innen des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Menschen, deren Biografien und Familiengeschichten in unterschiedlicher Weise mit der Geschichte des Heimes in Verbindung stehen. Auch Personen aus dem räumlichen Umfeld des ehemaligen Heimes in Feichtenbach nehmen teil. Workshops und Exkursionen dienen der Beschäftigung mit themenrelevanten historischen Quellen und der Vermittlung geschichtswissenschaftlicher Methoden.
Die Erinnerungswerkstatt, angesiedelt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Zivilgesellschaft, wird laufend dokumentiert, präsentiert und evaluiert: Sie zeigt das Potential auf, das sich hinter der beständigen Verknüpfung der „eigenen“ mit der „großen“ Geschichte verbirgt. Sie möchte auch beispielgebend dafür sein, wie Formen öffentlicher und persönlich- familiärer Erinnerung selbst als historische Quellen und Lerngegenstände begriffen und erschlossen werden können.

Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit zehn Co-Forscher:innen aus Österreich, Deutschland, Niederlande und den USA durchgeführt.

Beschreibung in der Projektdatenbank des Open Innovation in Science Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft: https://ois.lbg.ac.at/projekte/memory-lab/

Projektleitung: Lukas Schretter
Projektmitarbeit: Nadjeschda Stoffers, Martin Sauerbrey-Almasy
Werkvertrag: Michaela Tasotti
Kooperationspartner:innen: Darrel Toulon/Anton Bruckner Privatuniversität Linz, Einrichtungsverbund Steinhöring, Anna Bräsel
Laufzeit: 2023–2024
Förderung: Enrichment Fund, Open Innovation in Science Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft

a. Logo des Projekts MEMORY LAB. Grafik: Verena Thaller

Lebensborn-Heim Wienerwald: Umstrittenes Erbe, gemeinsame Verantwortung

Die Nachwirkungen des SS-Vereins Lebensborn in juristischer, medialer und wissenschaftlicher Sicht sowie in der individuellen Aufarbeitung dauern an. Deshalb organisierte das Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung im Jahr 2022 ein informelles Austausch- und Vernetzungstreffen von Menschen, die zwischen 1938 und 1945 im Lebensborn-Entbindungsheim Wienerwald geboren wurden. Eine öffentliche Abendveranstaltung und Diskussion in Sankt Pölten präsentierte die Forschungen der Öffentlichkeit. In diesem Forschungsprojekt dienen, vor allem in Niederösterreich, vertiefende Recherchen, weitere Veranstaltungen und Publikationen der Vermittlungsarbeit des Instituts. Bei Vorträgen und Lesungen, in persönlichen Begegnungen und bei der gemeinsamen Erkundung historischer Orte werden neue Perspektiven für einen konstruktiven und kritischen Umgang mit dem ehemaligen Heim Wienerwald entwickelt.

Projektleitung: Lukas Schretter, Barbara Stelzl-Marx
Projektmitarbeit: Nadjeschda Stoffers, Martin Sauerbrey-Almasy, Sabine Nachbaur
Werkvertrag: Michaela Tasotti
Laufzeit: 2023–2024
Förderung: Land Niederösterreich, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Kunst und Kultur

a. Öffentliche Abendveranstaltung am 20. September 2022, Sankt Pölten. Foto: BIK/Stoffers

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